Künstliche Intelligenz eröffnet dem digitalen Dialogmarketing neue Möglichkeiten zur Optimierung. KI-Verfahren unterstützen dabei, zu erkennen, in welchem Nutzungskontext sich ein Kunde gerade bewegt und die für diesen Kontext passende Kommunikation auszusteuern. Dies funktioniert selbst bei mangelhafter Datenqualität, da selbstlernende Algorithmen immer besser darin werden, auch fehlerhafte Daten zu interpretieren oder fehlende Daten zu ergänzen, die zur Erkennung eines Kontextes notwendig sind.

Der wichtigste Use Case für KI im digitalen Dialogmarketing bzw. der Use Case, bei dem eine Optimierung durch KI für den größten Uplift sorgt, ist multivariates Testing. Mittels KI ist es möglich, eine theoretisch unbegrenzte Anzahl an Faktoren und Faktorausprägungen einer Kampagne zu testen und die Kampagne für verschiedene Segmente zu optimieren, automatisiert und in Echtzeit.

Auch im Marketing spricht derzeit jeder von künstlicher Intelligenz. Und laut einer Adobe-Studie sind 87 Prozent der Marketing-Experten der Meinung, dass KI im Marketing stärker zum Einsatz kommen sollte. Kein Wunder, denn laut einer Studie der Boston Consulting Group denken 85
Prozent der Führungskräfte, Manager und Analysten, dass KI Wettbewerbsvorteile bringt. Use Cases beschränken sich aktuell jedoch meist auf wenige Bereiche: Chatbots, Retargeting und Website/Shop-Personalisierung sind die vorherrschenden Anwendungsfälle. Dabei kann auch das digitale Dialogmarketing von künstlicher Intelligenz profitieren.

Das seit Jahren geltende Versprechen, die vielfältigen, durch Tracking gewonnenen Daten zu einer 360°-Kundensicht zusammenzuführen und daraus relevante Kommunikation abzuleiten, konnte von den meisten Unternehmen bisher, wenn überhaupt, nur in begrenztem Maße umgesetzt werden. Dies liegt unter anderem daran, dass solche Optimierungen einen hohen manuellen Aufwand sowie eine umfassende Datensicht erfordern. KI-Methoden eröffnen hier neue Möglichkeiten, eine sehr differenzierte, hochrelevante Kommunikation ohne laufende Aufwände und nur mit wenigen Daten zu schaffen.

KI hilft, Kontexte zu erkennen und Kommunikation anzupassen

Wie im Trend Realtime Customer Centricity – Der Kunde im Fokus ausgeführt wurde, muss wirklich kundenzentriertes, digitales Dialogmarketing sich an den aktuellen Nutzungskontext des Kunden anpassen bzw. auf diesen reagieren. Doch wie lässt sich ein Kontext erkennen? Welche Daten in welcher Ausprägung (z.B. Metadaten von Websites, Standort des Kunden oder Wetter an diesem Standort) müssen vorliegen, um darauf schließen zu können, dass sich der Kunde in einem bestimmten Kontext befindet, in dem er für eine gewisse Information empfänglich sein könnte? Marketer sollten für jeden relevanten Kontext einen Archetyp aufstellen, der beschreibt, welche Daten in welcher Ausprägung auf diesen Kontext schließen lassen. Ein einfaches Beispiel:

  • Zeit: wochentags 06:00-09:30 Uhr
  • Gerät: Smartphone oder Tablet
  • Standort: in Bewegung
  • Webnutzung: Zugriff auf Online-Shop

Dahinter verbirgt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit der Kontext „Kunde sitzt auf dem Weg zur Arbeit in der Bahn und vertreibt sich die Zeit mit Stöbern im Online-Shop“.

Nach Erstellung der Archetypen kann ein selbstlernender KI-Mechanismus darauf trainiert werden, aus einer Vielzahl unterschiedlicher Live-Daten Kontexte zu erkennen. Dabei ist zu bedenken, dass in den seltensten Fällen

  • alle zur eindeutigen Erkennung des Kontextes notwendigen Daten vorliegen,
  • alle Daten in der benötigten Qualität vorliegen,
  • die Kombination der verschiedenen Daten und ihrer Ausprägungen so eindeutig ist, wie in dem beschriebenen Beispiel.

Eine geeignete KI kann jedoch lernen, fehlende Daten zu ergänzen, qualitativ minderwertige Daten zu interpretieren und auch aus einem unklaren Datenbild mit hoher Wahrscheinlichkeit den richtigen Kontext abzuleiten. Dabei verbessert sich der selbstlernende Algorithmus kontinuierlich selbst, indem er Ergebnisse aus dem Tracking der Kundenreaktionen immer wieder in seine Berechnungen einfließen lässt. Es ist möglich, dass dabei sogar Erkenntnisse gewonnen werden, die bei der Definition der Archetypen bisher gar nicht berücksichtigt wurden. Wenn im genannten Beispiel keine Echtzeit-Standortdaten vorhanden sind, könnte der Algorithmus stattdessen aus dem Umstand, dass ein Kunde morgens zur typischen Pendlerzeit mit dem Smartphone surft und ab dem typischen Arbeitsbeginn Online-Angebote von einem Desktop-PC nutzt, der nicht sein Privat-PC ist (erkennbar z.B. anhand von IP-Adresse oder Browser-Konfiguration), schließen, dass sich der Kunden beim morgendlichen Smartphone-Surfen im Zug auf dem Weg zur Arbeit befindet. Solche neuen Erkenntnisse nutzt der Algorithmus automatisch, um sein Ergebnis zu verbessern.

Effizienteres multivariates Testing

Das Erkennen von Kontexten und Aussteuern der dazu passenden Kommunikation ist nicht der einzige Anwendungsfall für KI im digitalen Dialogmarketing. Multivariates Testing ist einer der wichtigsten Use Cases.

Je ausgefeilter beispielsweise eine E-Mail-Kampagne konzipiert ist, desto mehr Annahmen über die verschiedenen Faktoren der Kampagne und die möglichen Ausprägungen dieser Faktoren sind zu treffen: Welche Betreffzeile führt zur höchsten Öffnungsrate? Welches Angebot führt zur höchsten Klickrate? Welche Art der Ansprache bringt den Kunden am besten dazu, die E-Mail zu lesen? Zu welcher Versandzeit ist die Wahrscheinlichkeit am höchsten, dass der Kunde die E-Mail wahrnimmt? Multivariate Tests sind ein etabliertes Verfahren, um Kampagnen mit verschiedenen möglichen Kombinationen von Faktorausprägungen (beispielsweise fünf verschiedene Betreffzeilen, drei Ansprachetypen, zehn Angebote und 20 Versandzeitpunkte) zu optimieren.

Die Problematik: Mit der Anzahl der getesteten Faktoren und Faktorausprägungen steigt die Anzahl der verschiedenen Testvarianten und damit die Komplexität des Verfahrens. Hier gelangen Marketer schnell an einen Punkt, der mit klassischer Marketing Automation und erst recht nichtmehr manuell beherrschbar ist. Die Komplexität steigt noch weiter, wenn verschiedene Kundensegmente angesprochen werden. Hier geht es nicht mehr darum, die insgesamt beste Variante zu ermitteln, sondern die besten Faktorausprägungen für einzelne Segmente.

Hinzu kommt, dass üblicherweise nicht bekannt ist, welche Segmentmerkmale für die jeweiligen Testergebnisse entscheidungsgebend sind. Wird Angebot 1 angeklickt, weil die Kunden Frauen über 40 sind oder weil sie aus Düsseldorf kommen? Die Antwort darauf ist überdies typischerweise erst nach vollständigem Durchlaufen des Tests auswertbar Frauen über 40 sind oder weil sie aus Düsseldorf kommen? Die Antwort darauf ist überdies typischerweise erst nach vollständigem Durchlaufen des Tests auswertbar und so können die Learnings erst für den nächsten Versand genutzt werden. Eine weitere Problematik ist, dass bisher unbekannte Segmente nicht berücksichtigt werden können bzw. fraglich ist, ob überhaupt die richtigen Kriterien für die Segmentbildung gewählt wurden.

Diese Probleme lassen sich mittels künstlicher Intelligenz lösen. KI-Verfahren erkennen selbstständig Zusammenhänge zwischen Faktorausprägungen und Segmentmerkmalen und bilden automatisch möglichst granulare Segmente abhängig davon, welche Segmentmerkmale mit welchen Faktorausprägungen am besten funktionieren. Die Erkennung und Optimierung funktioniert schon während der Laufzeit der Kampagne, d. h. unmittelbar und in Echtzeit. Inhalte werden in Echtzeit für die neu ermittelten Segmente oder ggf. sogar für einzelne Kunden angepasst. Öffnet ein Kunde eine Stunde nach Versand eine E-Mail, erhält er ggf. andere Inhalte, als wenn er die gleiche Mail fünf Minuten nach Versand geöffnet hätte (siehe hierzu auch „Realtime Customer Centricity – Den Kunden in den Fokus rücken“).

Weitere Anwendungsfälle

Es gibt viele weitere Anwendungsfälle für den Einsatz von künstlicher Intelligenz im digitalen Dialogmarketing und Ideen, wie KI für bestimmte Anwendungsfälle genutzt werden könnte. Dazu gehören beispielsweise Versandzeitoptimierung, Recommendations, Lead Nurturing oder die automatisierte Erstellung von Inhalten. An dieser Stelle, soll es dabei belassen werden. Marketer sollten sich informieren, welche Möglichkeiten es bereits gibt, um digitales Dialogmarketing mit Hilfe von KI zu optimieren bzw. welche ihrer Use Cases durch den Einsatz von KI weiter optimiert werden können. Generell könnte dies auf viele Use Cases zutreffen, bei denen Verfahren wie Marketing Automation oder Data Analytics bei zunehmender Komplexität an ihre Grenzen stoßen.