Unsere Interview-Serie zum Thema Digitale Wirtschaft:

Wie sieht der aktuelle Stand bei der Datenschutzgrundverordnung aus?

Mit der breiten Mehrheit im Parlament für die Datenschutzgrundverordnung haben wir ein klares Signal gesetzt und klargestellt, dass wir sofort mit dem Rat verhandeln wollen. Wir als europäisches Parlament und auch die Öffentlichkeit in Europa sollten von dem Ministerrat erwarten, dass dieses Jahr noch eine Einigung im Ministerrat gefunden wird. In erster Linie geht es dabei um eine Verhandlungsposition der Mitgliedstaaten. Die nächsten zwei Jahre werden für die IT-Wirtschaft in Europa entscheidend sein. An jedem Tag, den wir ohne eine einheitliche Regelung des Binnenmarkts verstreichen lassen, wird die Wettbewerbsbenachteiligung der Europäischen IT-Wirtschaft stärker in den Mittelpunkt rücken. Da sich dies kein Mitgliedsstaat leisten kann, bin ich davon überzeugt, dass wir unseren Zeitplan einhalten können.

Warum sind aus Ihrer Sicht die kommenden zwei Jahre für die IT-Wirtschaft entscheidend?

Die nächsten Jahre werden zeigen, ob wir es schaffen, einen Standard zu setzen, der es ermöglicht, Vertrauen und Innovationskraft in der IT-Wirtschaft zu etablieren. Ein transpazifischer Standard würde für die europäische IT-Wirtschaft erdrückende Marktmacht entwickeln. Dies wäre für die europäische Wirtschaft ein großes Bedrohungsszenario, da sich die Menschen in Europa von der IT- Wirtschaft abwenden könnten. Europa hat hier eine große Chance, einen Standard für die Vertraulichkeit im Umgang mit digitalen Gütern und Daten zu setzen. Ein solcher Standard muss gesellschaftlich vertretbar sein. Der Grat zwischen Wettbewerbsvorteil und Wettbewerbsnachteil ist sehr schmal. Ziel muss es sein, dass ein jeder die gemeinschaftlichen Standards für sein Tätigkeitsfeld umsetzen kann. Datenschutz sehe ich dabei auch schon heute als Wettbewerbsvorteil, wenn man sich auf datenschutzfreundliche Technologien konzentriert.

Warum ist ein europäischer Standard wichtig?

In Europa haben wir ein anderes Verständnis von Datenschutz und Persönlichkeitsrecht, im Vergleich zu anderen Industriestaaten außerhalb der EU. Daher ist es bedeutend, dass wir einen einheitlichen Rahmen schaffen für inner- und außereuropäische Marktteilnehmer. Das Marktortprinzip muss dabei auch für außereuropäische Unternehmen gelten, da diese sonst Vorteile durch versteckte Subventionen genießen. Nur ein fairer, offener Markt, in dem Vertrauen herrscht, kann langfristig funktionieren, damit sich in der EU weiterhin Start-Ups sowie kleine und mittelständige Unternehmen etablieren können. Aktuell sind gerade Start-Ups, kleine und mittelständige Unternehmen gegenüber Konzernen benachteiligt, da diese Unternehmen nicht die Ressourcen haben, sich rechtlicher Schlupflöcher zu bedienen, um Vorteile zu genießen. Datenschutz kann dabei nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch exportiert werden, als Konstrukt für ein Grundrecht im Umgang mit persönlichen Daten weltweit.

Was denken Sie über das Safe-Harbor-Abkommen?

Ich bin davon überzeugt, dass wir eine Veränderung an dem transatlantischen Abkommen anstreben müssen. Wann und in welchem Ausmaß diese Veränderung kommt, liegt auch zu Teilen an uns Europäern. In den Staaten liegt es, meiner Meinung nach, nicht an den Kulturunterschieden im Umgang mit Daten, sondern vielmehr daran, dass der politische Apparat schon lange für eine dynamische Gesetzgebung blockiert ist.
Innereuropäisch müssen wir klar machen, dass wir einen Standard haben möchten. Dabei kann ich mir auch eine Aufkündigung des Safe-Harbor-Abkommens vorstellen, um alle Beteiligten wieder an einen Tisch zu bringen, um beidseitige einvernehmliche Regeln zu finden. Ich bin positiv gestimmt, hier eine Einigung zu finden, da die US-IT-Wirtschaft, anders als sie vielleicht manchmal verlauten lässt, abhängig von dem vereinfachten transatlantischen Datenaustausch ist.

Welche Hürden sehen Sie für das Schaffen der Standards in Europa?

Die Tatsache, dass wir es geschafft haben, in zwei Jahren eine Verordnung mit 3.999 Änderungsanträgen durchzuarbeiten, um daraus einen Kompromiss zu schaffen, der von allen Parteien und Euro-Skeptikern mitgetragen worden ist, zeigt, dass es möglich ist, dass wir einen europäischen Rahmen schaffen können. Daran sollten sich die Mitgliedstaaten ein Beispiel nehmen. Ich sehe die Verantwortung aktuell bei den Mitgliedstaaten. Hier gilt es, jetzt die Skepsis zu brechen, die Schaffung von Regelwerken durch den Verbund der EU als nachteilig zu sehen. Diese Skepsis herrscht nicht nur in der Politik, sondern auch bei Bürgerinnen und Bürgern, Unternehmen und der Politik. Wir müssen mit einem Umdenken beginnen und verstehen, dass eine europäische Ebene deutlich mehr Vorteile bietet als eine nationale Ebene.

Wahlprüfsteine des Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V.

Vom 22. bis 25. Mai 2014 wählen die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union zum achten Mal das Europäische Parlament. Mit den im Vorfeld zur Wahl aufgestellten Wahlprüfsteinen zur Europawahl 2014 formuliert der BVDW die Erwartungen und Forderungen seiner Mitgliedsunternehmen an Parteien und die zukünftigen Europaabgeordneten. Diese können unter kostenlos heruntergeladen werden.