Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass Google – mit bestimmten engen Ausnahmen – Suchergebnisse und Links zu Webseiten mit persönlichen Daten löschen muss, wenn die betreffende Person es verlangt. Ein bahnbrechendes Urteil zum Datenschutz mit Konsequenzen auch für andere Unternehmen und für das CRM.
Von Jörg Bange

Der Sachverhalt und die Entscheidung des EuGH

Ein spanischer Bürger verlangte von Google Inc. und Google Spain die Löschung von Suchergebnissen und Links zu einen Bericht über eine längst erledigte Pfändung seines Hauses. Er habe aufgrund der Sucherergebnisse noch heute Nachteile.
Google verteidigte sich mit mehreren Argumenten. Die EU-Datenschutzrichtlinie sei nicht anwendbar, weil Google Spain keinen Einfluss auf die außerhalb der EU gespeicherten Daten der durch die amerikanische Google Inc. betriebenen Suchmaschine Google Search habe. Damit würde Google hinsichtlich Google Search nicht dem europäischen Datenschutzrecht unterfallen. Auch betreibe Google mit der Suchmaschine keine Datenverarbeitung, sondern bilde nur Informationen ab, die auf anderen Websites vorgehalten werden. Zudem würden die Daten auf der Zielseite unstreitig rechtmäßig genutzt.
Das befasste spanische Gericht legte dem EuGH zur Vorabentscheidung mehrere Fragen zur Anwendung und Auslegung der EU-Datenschutzrichtlinie zu diesem Sachverhalt vor.
Der EuGH urteilte, dass wenn Google in den EU-Staaten durch Niederlassungen Geschäfte mache, müsse sich das Unternehmen auch an die hiesigen Datenschutzregeln halten. Ebenso würden mit Google Search persönliche Daten strukturiert und Profile erstellt, dies sei Datenverarbeitung und keine Datendarstellung. Auch wenn der Bericht auf der Zielseite rechtmäßig veröffentlicht werden dürfe, kommt Google das Medienprivileg im Datenschutz nicht zugute. Ausnahmen kann es bei Personen von öffentlichem Interesse geben.

Die Folgen des Urteils für Unternehmen

Die Bekräftigung des „Rechts auf Vergessen“ im Internet ist die prominenteste Folge des Urteils. Neben der Kritik, dass jetzt Zensur im Internet ermöglicht werde. Wenn kritische Berichte mit Personendaten nicht mehr über Google oder anderen Suchmaschinen gefunden werden, sind sie faktisch verschwunden – auch wenn auf den Zielseiten die Inhalte nicht gelöscht werden müssen.
Über Google hinaus ist aber die Bestätigung des bislang umstrittenen „Marktortprinzips“ bedeutsam, gerade für multinationale Konzerne. Wenn ein Unternehmen über eine Niederlassung in einem nationalen Markt in der EU tätig ist, ist es den dort geltenden Datenschutzbestimmungen unterworfen, unabhängig vom Hauptsitz des Unternehmens. Es kommt damit also nicht darauf an, wo die Daten liegen, sondern ob über eine Niederlassung oder Tochter Geschäfte in der EU gemacht werden.
Zudem dürften die Grundsätze des Urteils auf öffentliche Foren oder Plattformen von Unternehmen anzuwenden sein. Werden dort durch Dritte Personendaten dargestellt oder zu ihnen verlinkt, kann von dem Betroffenen eine Löschung des Links verlangt werden.

Auswirkungen auf das CRM

Der EuGH hat mit bemerkenswerter Deutlichkeit einen Grundsatz formuliert, auf den sich Unternehmer, die in Europa Geschäfte machen wollen, in puncto Datenschutz einstellen müssen: Der Schutz der Privatsphäre bei der Verarbeitung personenbezogener Daten steht grundsätzlich vor den wirtschaftlichen Interessen von Unternehmen und dem Interesse der Öffentlichkeit. Big Data und CRM werden sich hieran messen lassen müssen.
Auch ist damit zu rechnen, dass das Urteil die derzeit stockenden Verhandlungen über die EU-Datenschutz-Grundverordnung eine neue Dynamik verleihen wird. Diese direkt in allen Mitgliedstaaten geltende Verordnung soll einen einheitlichen europäischen Rahmen für den Datenschutz bilden. Der EuGH hat wichtige Leitlinien des Verordnungsentwurfs vorweggenommen.
Für deutsche Unternehmen kann sich all dies möglicherweise als Vorteil erweisen. Ausländische Konkurrenten müssen bei der strikten Datenschutz-Compliance gleichziehen.
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Jörg Bange ist Fachanwalt für IT-Recht sowie Urheber- und Medienrecht und Partner bei Bange + Wasert in Köln.
Link zur Pressemeldung:
http://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2014-05/cp140070de.pdf
Link zum Urteil:
http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf;jsessionid=9ea7d0f130d53325975cb01d48899265aaa4f3415a6c.e34KaxiLc3eQc40LaxqMbN4OaNmQe0?text=&docid=152065&pageIndex=0&doclang=de&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=109037